Simon Höfele hat sich welt­weit als einer der erfolg­reichs­ten Trom­pe­ter der jun­gen Gene­ra­tion eta­bliert. Im Jahr 2020 wurde er mit dem OPUS KLASSIK aus­ge­zeich­net. Über­schwäng­lich rezen­sierte Schall­platten­auf­nah­men zeu­gen von sei­ner Aus­nahme­qua­li­tät als Küns­tler und sei­ner gro­ßen Bereit­schaft, unge­wöhn­li­che Wege zu beschrei­ten. Neben dem klas­si­schen Trom­pe­ten­re­per­toire wid­met er sich mit gro­ßer Begeis­te­rung der zeit­ge­nös­si­schen Musik. So spielte er neben vie­len wei­te­ren die Urauf­füh­rungen der für ihn geschrie­be­nen Werke „Milky Way“ (Con­cert­ge­bouw Ams­ter­dam, 2019) und „Orion Arm“ (Phil­har­mo­nie de Paris, 2023) von Miros­lav Srnka. Mit größ­ter Selbst­ver­ständ­lich­keit bewegt er sich inzwi­schen von der Elb­phil­har­mo­nie zum Ber­li­ner Kon­zert­haus am Gen­dar­men­markt und nun end­lich ins Volks­haus Jena ...

Michael Diss­meier: Lie­ber Simon Höfele, die Trom­pete ist in Ihren Hän­den mehr als nur ein hoch­vir­tuo­ses Werk­zeug für Fan­fa­ren, Bril­lanz und schnelle Läufe. Was macht für Sie die Viel­falt Ihres Ins­tru­ments aus?

Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve
Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve

Simon Höfele: Nichts könnte mir ega­ler sein als reine Vir­tuo­si­tät. Mich inter­es­siert die Viel­zahl der Mög­lich­kei­ten, die Wand­lungs­fä­hig­keit. Natür­lich macht es immer wie­der Spaß, auf die Art zu spie­len, die im all­ge­mei­nen mit der Trom­pete asso­zi­iert wird: wahn­sin­nig laut, wahn­sin­nig dir­ekt, schmet­ternd und schnell. Aber umge­kehrt kann ich eben auch sehr leise Töne fin­den und wun­der­bar auf mei­nem Ins­tru­ment sin­gen. Die Trom­pe­te hat eine fas­zi­nie­rende Band­breite. Gar nicht mal so sehr, was den Ton­um­fang angeht, da sind Kla­ri­nette, Flöte und Horn weit über­le­gen. Aber ton­lich, in der Unter­schied­lich­keit der Klang­far­ben und der dyna­mi­schen Mög­lich­kei­ten ist die Trom­pete extrem wand­lungs­fähig.
Am meis­ten fesselt mich in der Regel das Leise, das In-sich-Gekehrte, das Geheim­nis­volle; die lang­sa­men, zwei­ten Sätze machen mir die meiste Freude, weil sie emo­tio­nal sind. Damit erzeugt man auf Insta­gram aller­dings nicht die größte Auf­merk­sam­keit, die bekommt man für die schnel­len und vir­tuo­sen Pas­sa­gen.
Aber ich brau­che für mich die unter­schied­li­chen Facet­ten, allein schon aus dem ego­is­ti­schen Grund, weil mir sonst lang­wei­lig wird. Des­we­gen suche ich immer nach Neuem, und selbst wenn ich irgend­wann nichts mehr fin­den würde, kann ich ja Kom­po­si­tions­auf­träge ver­ge­ben!
Gerade vor ein paar Tagen ist mein neues Album heraus­ge­kom­men, „No Clouds in Haraz“, zusam­men mit Kaan Bulak, dem Elek­tro­nik­künst­ler, Pia­nis­ten und Kom­po­nis­ten aus Ber­lin. Das war für mich völ­li­ges Neu­land und hat wahn­sin­nig viel Spaß gemacht!

 

»Am meisten fesselt mich in der Regel das Leise, das Geheimnisvolle.«

SIMON HÖFELE

 
Im 20. Jahr­hun­dert hat die Trom­pete einen unge­heu­ren Auf­trieb erfah­ren. Einer­seits durch die Ent­wick­lung der Ven­tile, ande­rer­seits aber auch durch den Jazz.

Ohne Louis Arm­strong, Miles Davis, Dizzy Gilles­pie & Co. würde die Trom­pete heute eine viel gerin­gere Rolle spie­len. Da bin ich mir abso­lut sicher. Durch den Jazz wurde die Ent­wick­lung des Trom­pe­ten­spiels maß­geb­lich und bestim­mend vor­an­ge­bracht. Des­wegen freue ich mich sehr darauf, in Jena auch ein Jazz­kon­zert spie­len zu können. Wir werden unter­an­de­rem „Sket­ches of Spain“ von Miles Davis im Arran­ge­ment von Gil Evans spie­len. Das ist in mei­nen Augen eines der wich­tigs­ten Werke des 20. Jahr­hun­derts. Miles Davis’ Jazz trifft die „klas­si­sche“ Musik und ins­pi­riert zahl­lose Kom­po­nis­ten und Trom­pe­ter damit ent­schei­dend.
Bis zur zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts war die Trom­pete ja gar kein fer­tig ent­wi­ckel­tes Ins­tru­ment. Bis die Ven­tile erfun­den waren, war sie nur eine Fan­fare oder eine Art Bonus für gewisse Klang­ak­zente im Orches­ter. Als rich­ti­ges Solo­ins­tru­ment wurde sie nicht wahr­ge­nom­men. Es ist natür­lich schade, dass es kein ein­zi­ges gro­ßes, spät­ro­man­ti­sches Trom­pe­ten­kon­zert etwa von Brahms oder Rach­ma­ni­now gibt. Das lässt mich nachts schlecht träu­men!
Die gro­ßen, klassi­schen Kon­zerte von Haydn und Hum­mel indes gibt es nur wegen eines ein­zi­gen expe­ri­men­tier­freu­di­gen Trom­pe­ters, der damals die Klap­pen­trom­pete ent­wickelt hat. Anton Wei­din­ger, Hof­trom­pe­ter in Wien, wollte die Mög­lich­kei­ten des Ins­tru­ments erwei­tern und bohrte zusätz­liche Löcher in seine Trom­pete. Die muss­ten mit Klap­pen geschlos­sen wer­den, weil er mit den Fin­gern nicht die Löcher errei­chen konnte. Letzt­lich war das noch kein völ­lig neues Ins­tru­ment, im Kern war es immer noch eine Barock­trom­pete, nur mit mehr Löchern.
Haydn schrieb dann für Weidinger sein Trompetenkonzert, und zwar mit seinem so typischen Humor. Das Konzert beginnt für die Trompete mit einem richtig plumpen Es. Alle Zuhö­rer haben von der neuen Wun­der­trom­pete gehört und erwar­ten aller­hand. Doch dann trö­tet der Trom­pe­ter ein­mal den Grund­ton und steht danach wie­der end­los herum. Auch der zweite und dritte Ein­satz sind nur Fan­fa­ren, die man auch vor­her schon spie­len konnte. Erst dann kommt beim Zuschauer das Aha-Erleb­nis, denn bereits die ers­ten drei Töne des eigen­tli­chen Themas konnte man bis­lang nicht spie­len. Und jetzt prä­sen­tiert Haydn all die chro­ma­ti­schen Läufe, die nun mög­lich sind und im zwei­ten Satz auch erstaun­li­che har­mo­ni­sche Wen­dun­gen.
Hum­mel schreibt dann wenige Jahre spä­ter sein Konzert eben­falls für Wei­din­gers neue Trom­pete. Einige andere Kom­po­nis­ten schrei­ben auch etwas, z. B. Süß­mayr, Kauer und Kože­luh. Dann ver­schwin­det die Klap­pen­trom­pete aber wie­der in der Ver­sen­kung und kann sich nicht durch­set­zen.

Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve
Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve

 
Im März werden Sie in Jena zusammen mit Ihrem Lehrer Reinhold Friedrich ein Konzert für zwei Trompeten von Matthias Pintscher spielen, das Sie im Jahr 2012 bereits uraufgeführt haben.

Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve
Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve

Vor allem war dieses Werk mein Schlüsselerlebnis dafür, was man mit der Trompete ausdrücken kann. Ich war Achtzehn, als ich das Werk uraufgeführt habe. Als ich die Noten bekam, war ich schockiert; es ist hochkomplizierte Musik. Dann habe ich Ewigkeiten lang geübt, und plötzlich machte es „Klick“. Ich fand es unendlich großartig, dass jemand solche Musik für die Trompete schreibt. Dass es noch etwas anderes als die Probespielstellen und das Haydn-Konzert gibt!
Die Uraufführung war eine meiner größten Inspirationen, eines der Konzerterlebnisse, die ich niemals missen möchte. Pintscher schreibt unfassbar kraftvolle Musik, die man in dieser Vielfalt nicht von einer Trompete erwartet. Hochemotional und bedrückend in einer Hinsicht, dann wieder ungeheuer leise und fragil, fast schon geräuschhaft. Das Konzert ist eine Hommage an Anselm Kiefer. Wenn man dessen monumentale Kunstwerke auf sich wirken lässt, kann man großen Schmerz erfahren. Kiefers Kunst tut weh, in ihr liegt tiefe Emotion. Ich finde, dass Matthias Pintscher wie kein zweiter diese besonderen Emotionen in seiner Musik ausdrückt. Es ist ein großartiges Werk!

 
Ihren ersten Auf­tritt in Jena haben Sie bei einem der neu ein­ge­führ­ten Sams­tags­kon­zerte.

Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve
Simon Höfele, Foto: Marco Borggreve

Als ich von diesem Kon­zert­for­mat gehört habe, war ich sofort begeis­tert. Eine Stunde halte ich per­sön­lich für eine ideale Kon­zert­dauer. Und der Aus­tausch mit dem Publi­kum ist mir unge­heuer wich­tig, sehr gern tat­säch­lich nach dem Kon­zert! Ich war noch nie Fan der eli­tä­ren Tren­nung: „Künst­ler auf die Bühne und Publi­kum gefäl­ligst im Saal“. Und dann hat man auch noch kei­nes­falls nach dem ers­ten Satz zu klat­schen, sonst wird man böse ange­schaut. Den Dress­code, den wir bei klas­si­schen Kon­zer­ten an den Tag legen, finde ich ebenso wenig zeit­ge­mäß. Sie glau­ben gar nicht, wie oft ich mir habe anhö­ren müs­sen, dass ich auf der Bühne keine wei­ßen Turn­schuhe anzie­hen soll. Ich werde dafür kri­ti­siert, als ob ich wie ein Kind die rich­ti­gen Schuhe ver­ges­sen hätte. Aber ich gehe ab­sicht­lich mit wei­ßen Turn­schu­hen auf die Bühne! – „Nein, danke, ich möchte keine schwar­zen Lack­schuhe anzie­hen. Das ist genau so gewollt!“ – Es ist wirk­lich Wahn­sinn, wie schnell man Leuten im dop­pel­ten Sinn auf den Schlips tre­ten kann, nur weil man ganz vor­sich­tig mit den Kon­ven­tion­en bricht. Aber genau diese Kon­ven­tio­nen sind ja das, was viele junge Leute davon abhält, ins Kon­zert zu gehen.

 

»Die Konventionen sind das, was viele junge Leute davon abhält, ins Konzert zu gehen.«

SIMON HÖFELE

 
Was ist der Unter­schied zwi­schen dem Dasein als Solo-Trom­pe­ter und der Arbeit in der Blech­blä­ser­gruppe eines Orches­ters?

Foto: Shutterstock
Foto: Shutterstock

Ich bin kein Orches­ter­trom­pe­ter, das würde fürch­ter­lich enden. Nur, weil man viel­leicht gut Solo­trom­pete spie­len kann, ist man noch lange kein guter Spie­ler in einer Blech­blä­ser­gruppe. Als Trom­pe­ter im Orches­ter hat man meis­tens ein sehr kal­tes Ins­tru­ment, weil man so sel­ten spielt. Und dann muss man in Takt 56 plötz­lich spie­len, durch die große Ent­fer­nung vom Diri­gen­ten sehr früh ein­set­zen, gut into­nie­rend und in kom­plet­ter Prä­zi­sion einen heik­len Ton ablie­fern. Das ist unglau­blich schwer! Ich per­sön­lich bin wesent­lich gestress­ter, wenn ich ein­mal im Orches­ter spiele, als wenn ich vorne stehe. Und ich habe die größte Hoch­ach­tung vor den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, weil es wirk­lich ein rich­tig anspruchs­vol­ler Job ist. Ich per­sön­lich finde es schwe­rer als Solo. Ich würde unge­heuer ner­vös sein und vie­les ver­sem­meln.

 
Mit der glei­chen Verve, mit der Sie neue Wege in der klas­si­schen Musik beschrei­ten, arbei­ten Sie auch als Barista, in einem Third-Wave-Café in Karls­ruhe. Was ist das Geheim­nis eines guten Kaf­fees?

Gutes Was­ser, gute Boh­nen, man muss frisch mah­len und wis­sen, wie viel Gramm Kaf­fee auf wie viel Gramm Was­ser bei wel­cher Tem­pe­ra­tur extra­hiert wird. Das ist das soge­nannte Kaf­fee­re­zept. Wenn man behaup­tet, den Kaffee ein­fach nach Gefühl gut machen zu kön­nen, ist das ei­ni­ger­ma­ßen gro­ßer Quatsch. Unge­fähr wie bei Loriots Früh­stücksei. Ein guter Kaf­fee soll ja wie­der­hol­bar sein. Wenn es drau­ßen wie ver­rückt regnet, muss ich die Grin­der grö­ber stel­len; die Luft­feuch­tig­keit hat einen enor­men Ein­fluss auf den Pro­zess. Die Kaf­fee­bohne rea­giert sofort. Sie dehnt sich aus. Wenn der Kaf­fee bit­ter schmeckt, dann war das Was­ser zu heiß, oder es lief zu lange. Man kann sich in den tech­nis­chen Klei­nig­kei­ten auch mal ver­lier­en. Aber grund­sätz­lich muss man ein mög­lichst gutes Rezept für die jewei­lige Sorte Boh­nen fin­den. Wenn ich mir für einen Espresso bei­spiels­weise 16 g Kaf­fee mahle und ihn auf 36 g Flüs­sig­keit in der Tasse extra­hie­ren möchte, in unge­fähr 25 bis 30 Sekun­den, dann muss ich das so lange degus­tie­ren, bis er wir­klich so schmeckt, wie ich das möchte. Die Brüh­zeit, also ob der Pro­zess lang­sa­mer oder schnel­ler lau­fen soll, kann ich mit mei­nem Mahl­grad steu­ern. Fei­ner gemah­len dau­ert län­ger, bei grö­be­rem Mahl­grad läuft das Was­ser schnel­ler durch. Und ent­spre­chend ver­än­dert sich der Geschmack!

Foto: Pixabay
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