„Wort­Spiele“ – die Wahl des Mottos der Spiel­zeit 2023.2024 kommt nicht von unge­fähr: Der Ver­bin­dung von Musik und Wort nach­zu­spü­ren, ist für Gene­ral­mu­sik­di­rek­tor Simon Gau­denz ein wesen­tli­cher Bestand­teil seiner Kunst. In den Pro­gram­men der Jenaer Phil­har­mo­nie arbei­tet er immer wie­der mit der asso­zia­ti­ven Kraft von Tex­ten. Nach sei­nem Ver­ständ­nis ver­sinn­li­chen Worte die Musik, machen inhalt­li­che Zusam­men­hänge erfahr­bar, lassen die Emo­tio­nen der sin­fo­ni­schen Werke kon­kret und beson­ders wer­den. Worte wir­ken wie Salz und Pfef­fer. Sie geben Kon­tur, vermit­teln Ideen und schaf­fen Ver­bin­dun­gen.

Und so ist – ver­blüf­fend und logisch zugleich – der ARTIST IN RESI­DENCE der kom­men­den Spiel­zeit ein nam­haf­ter Schau­spie­ler. Stefan Kurt, dessen fil­mi­sche und thea­tra­li­sche Lauf­bahn zutiefst beein­druckt, wird in gleich fünf außer­ge­wöhn­li­chen Pro­jek­ten mit der Jenaer Phil­har­mo­nie zusam­men­ar­bei­ten und der Spiel­zeit 2023.2024 seinen Stem­pel auf­drü­cken. Bei einem Gespräch im März 2023 gaben Simon Gau­denz und Ste­fan Kurt Ein­bli­cke in die gemein­samen Vor­ha­ben.

Simon Gaudenz und Stefan Kurt, Foto: Willi Piller
Simon Gaudenz und Stefan Kurt, Foto: Willi Piller

Stefan Kurt: Für Dein Ange­bot, ARTIST IN RESI­DENCE in Jena zu wer­den, bin ich Dir sehr dank­bar, lieber Simon! Die schöns­ten Abschnitte meiner Karriere hat­ten stets mit Musik zu tun.

Simon Gaudenz: Nachdem Du genau das bei unse­rem erst­en Auf­ein­an­der­tref­fen erzählt hat­test, war mir klar: „Den können wir uns angeln.“

Stefan Kurt: Und ich habe gleich ange­bis­sen. Als wir uns im letz­ten Jahr beim Fes­ti­val in Mur­ten ken­nen­lern­ten, war ich vom Orches­ter sofort begeis­tert. Die gemein­same Auf­füh­rung von Men­dels­sohns „Som­mer­nachts­traum“ war wirk­lich ein beson­de­rer Moment; es hat sozu­sa­gen geflutscht. Als Schau­spie­ler jetzt ein­mal ein gan­zes Orches­ter näher ken­nen­ler­nen, in die­ses große Gefüge Ein­blick gewin­nen zu kön­nen, das finde ich ganz toll.

Simon Gaudenz: Die Idee, dass Du ARTIST IN RESI­DENCE wer­den könn­test, kam ja aus dem Orches­ter! Das finde ich so über­aus bemer­kens­wert. Die Musi­ke­rin­nen und Musi­ker hat­ten beim Kon­zert mit Dir so viel Freude und Spaß. Sie waren begeis­tert davon, wie viel Inter­ak­tion mög­lich war.

Stefan Kurt: Als ich an einer Stelle ange­fan­gen habe zu impro­vi­sie­ren, rea­gier­ten die Musi­ker ganz spon­tan und sind mit ein­ge­stie­gen. Ich fühlte mich als Schau­spie­ler auf­ge­ho­ben, obwohl wir uns ja vor­her gar nicht kannten.

Simon Gaudenz: Wenn das Orches­ter nicht Ver­gnü­gen daran hätte zu expe­ri­men­tie­ren und aus­zu­pro­bie­ren, wäre es nicht mit die­sem Vor­schlag gekom­men. Aber das Neue übt mitt­ler­weile einen star­ken Reiz auf uns aus. Sicher auch, weil ich selbst ohne Unter­lass neu­gie­rig bin und aus­pro­biere. Ich möchte das Orches­ter gern stän­dig pro­vo­zie­ren, neue Wege zu gehen. Die Musi­ke­rin­nen und Musi­ker sind wun­der­ba­rer­weise offen für meine Vor­schläge und kom­men inzwi­schen sogar mit eige­nen, ver­rück­ten Ideen.

»Die Idee, dass Du ARTIST IN RESIDENCE werden könntest, kam ja aus dem Orchester!«

SIMON GAUDENZ


WortSpiel 1: Der ZDF-Krimi aus Jena

Simon Gaudenz: Das ver­rück­teste unse­rer gemein­sa­men Vor­ha­ben ist gar kein Kon­zert, son­dern der Dreh für eine Folge der ZDF-Reihe „The­resa Wolff – Der Thü­rin­gen­krimi“. Zum jet­zi­gen Zeit­punkt ist das Pro­jekt zwar noch in Pla­nung, wir gehen aber ganz fest davon aus, dass es tat­säch­lich rea­li­siert wer­den kann. Im Sep­tem­ber 2023 sollen die Dreh­ar­bei­ten im Volkshaus statt­fin­den, wenn alles gut geht.

Stefan Kurt: Und ich darf dann tat­säch­lich den Chef­di­ri­gen­ten der Jenaer Phil­har­mo­nie spie­len, also Dich! Das ist aller­dings groß­artig und irr­sin­nig, dass diese Film­rolle zufäl­liger­weise mit meiner Zeit als ARTIST IN RESI­DENCE in Jena zusam­men­fällt. Wir dür­fen natür­lich noch nichts von der Hand­lung ver­ra­ten, aber das Orches­ter wird nicht nur gele­gen­tlich im Hin­ter­grund zu sehen sein, son­dern eine nicht unwe­sen­tli­che Rolle rund um die Auf­klä­rung des Mor­des spie­len.

Simon Gaudenz: Dass Du Dich so etwas traust, direkt nach Cate Blan­chett.

Stefan Kurt: Was Cate Blan­chett kann, das kön­nen wir auch! Nicht wahr? Aber im Ernst, es ist für mich natür­lich eine unge­heuer reiz­volle Auf­gabe, am Pult zu ste­hen und das Diri­gen­ti­sche so wahr­heits­ge­treu und rea­lis­tisch wie mög­lich dar­zu­stel­len. Ich hoffe sehr darauf, dass Du mir einige Hil­fe­stel­lung geben wirst.

Simon Gaudenz: Für Deine Residenz bei uns ist es wunderbar, dass Du zu Beginn gleich der Dirigent sein wirst. Von Anfang an wird eine herzliche und enge Bande mit dem Orchester entstehen. Alle werden Dir helfen und Dich tragen! Es könnte nicht schöner sein.

»Und ich darf dann tatsächlich den Chefdirigenten der Jenaer Philharmonie spielen, also Dich!«

STEFAN KURT


WortSpiel 2: Egmont

Stefan Kurt, Foto: Joachim Gern
Stefan Kurt, Foto: Joachim Gern

Simon Gaudenz: Wir waren uns bei den vor­be­rei­ten­den Gesprä­chen schnell einig, dass Du zwei große Sin­fo­nie­kon­zerte mit mir zusam­men gestal­ten wirst, mit einem klas­si­schen und einem expe­ri­men­tel­len Pro­gramm. Beet­ho­vens Schau­spiel­mu­sik zu Goe­thes „Egmont“ hat sich uns da sofort auf­ge­drängt.

Stefan Kurt: Es hat für mich einen gro­ßen Reiz, an einer form­star­ken Sprech­weise für klas­si­sche Texte zu arbei­ten. Es gibt bei Goe­the ja keine moder­nen Sätze wie „Ich hol mir mal einen Kas­ten Bier.“ Man muss die Emphase, die Ver­äu­ße­rung der Spra­che emp­fin­den und bedie­nen kön­nen. Frü­her haben wir uns in der Schau­spiel­schule immer lustig gemacht über die alten Schau­spiel­er wie Moissi, die für unsere Begriffe getönt haben, die sehr thea­tra­lisch waren und die Texte in einer schwin­del­er­re­gend künst­li­chen Höhe dekla­miert haben. Mitt­ler­weile finde ich das ehr­lich gesagt ganz toll, wie die das gemacht haben. Es macht keinen Sinn, Goe­thes Spra­che aus­zu­wei­chen. Als junger Schau­spie­ler wird man dann schnell sehr kör­per­lich, man schwitzt viel, man spuckt sich an, man wird mit Wasser über­gos­sen, um die Ent­äu­ße­rung und die tie­fen Gefühle dar­zu­stel­len. Aber man kann es viel­leicht doch direkt mit der Sprache machen. Das braucht halt eine andere Ener­gie, eine andere Arbeit, aber es ist mög­lich.


WortSpiel 3: Daniil Charms

Stefan Kurt: Die Werke die­ses fas­zi­nie­ren­den rus­si­schen Autors, der von 1905 bis 1942 in Lenin­grad lebte, kenne ich schon seit lan­gem. Er ist ganz schwer zu fas­sen. Genau das finde ich immer sehr span­nend, wenn Auto­ren extrem viel­schich­tig und schil­lernd sind. Seine Werke gehen von kind­lichen, rhyth­mi­schen Abzähl­rei­men über Dada-Texte, die keine Pointe haben, über zum Teil por­no­gra­phi­sche Texte bis hin zu hoch­phi­lo­so­phi­scher Prosa. Man weiß bei Charms nie vor­her, ob es komisch oder tra­gisch sein wird. Man lacht, aber im nächs­ten Moment bleibt einem das Lachen im Halse ste­cken. Er hat auch kleine Thea­ter­sze­nen geschrie­ben, viel­leicht werde ich nicht nur lesen, son­dern teil­weise auch ins Spiel über­ge­hen.

Simon Gaudenz: So wie Daniil Charms mit den Kon­ven­tio­nen spielt und sich stän­dig damit aus­ein­an­der­setzt und daran reibt, wer­den wir versu­chen, sehr spie­le­risch und krea­tiv mit der Form des „kon­ven­tio­nel­len“ Sin­fo­nie­kon­zerts umzu­ge­hen. Ste­fan wird in die Musik hin­ein­re­den, wir wer­den ihn unter­bre­chen und hof­fen­tlich den­noch einen gro­ßen Bogen span­nen. Es gibt für diese Art von Tex­ten aus der sur­rea­len, rus­si­schen Moderne sehr viel pas­sende Musik, die eben­falls gro­tesk und skur­ril ist. Natür­lich Pro­kof­iew und Schos­ta­ko­witsch, aber auch die deut­schen Kom­po­nis­ten der Zwan­zi­ger­jahre. Bis hin zu Kagel, Schnittke, Wid­mann und Lachen­mann. Es wer­den viele kurze Musik­stü­cke erklin­gen, die wir gut mit den Tex­ten ver­schrän­ken kön­nen.

Stefan Kurt: Auch die zutiefst tra­gi­sche Bio­gra­phie von Daniil Charms soll­ten wir ein­bauen. Er konnte mit seiner Kunst so gut wie nie Geld ver­die­nen, wurde mehr­mals aus poli­ti­schen Grün­den ver­haf­tet und ist schließ­lich zur Zeit der deut­schen Bela­ge­rung Lenin­grads in einer psy­chia­tri­schen Abtei­lung eines Gefäng­nis­ses an Unter­er­näh­rung gestor­ben. Seine Werke haben mit­hilfe gro­ßer Zufälle in einem Koffer die Blo­ckade Lenin­grads über­lebt.

Simon Gaudenz: Charms ist auf jeden Fall ein gran­dio­ser Wort­spie­ler. Das hat mich sofort an ihm fas­zi­niert. Es gibt immer diese merk­wür­dige Rei­bung zwi­schen Klang, Inhalt und Absur­di­tät. Er ist ein Mul­ti­ta­lent. Ich fühle mich von ihm an der Nase he­rum­ge­führt, dann spielt er wie­der ganz kindl­ich und naiv mit der Spra­che herum. Ein sehr viel­schich­ti­ger Mensch, dessen Gedichte mich sehr berüh­ren. Auf diese gemein­same Reise in Charms’ Welt freue ich mich sehr!


WortSpiel 4: Die Geschichte vom Soldaten

Simon Gaudenz: In Jena soll der ARTIST IN RESI­DENCE immer auch kam­mer­mu­si­ka­lisch in Erschei­nung treten. Also haben wir für Dich Stra­wins­kis Stück „Die Geschichte vom Sol­da­ten“ aus­gewählt, das direkt nach dem Ers­ten Wel­tkrieg in Lau­sanne urauf­ge­führt wurde. Stra­winski hat seine Parti­tur für die sie­ben Musi­ker, die über­haupt ver­füg­bar waren, geschrie­ben. Dadurch gibt es nun diese wun­der­bare ‚Kam­mer­oper‘. Die vier Rol­len des Werks, Sol­dat, Teu­fel, Prin­zes­sin und Vor­le­ser, wirst bei uns nun alle­samt Du spie­len.

Stefan Kurt: Moment! Die Prin­zes­sin ist eine reine Tanz­rolle, die hat kei­nen Text. Mal sehen, was wir damit anstel­len. Aber ja, ich werde in Jena alle Rol­len an mich rei­ßen. Den Teu­fel habe ich übri­gens schon ein­mal gespielt, an der Staats­oper Unter den Lin­den, in der Regie von Jürgen Flimm.


WortSpiel 5: Operngala

Stefan Kurt, Foto: Joachim Gern
Stefan Kurt, Foto: Joachim Gern

Simon Gaudenz: Von unse­rem Pub­li­kum wird hier und da der Wunsch an uns her­an­ge­tra­gen, mehr Oper zu spie­len. Da kommst Du natür­lich ins Spiel. Unser künst­le­ri­scher Berater und hoch­krea­ti­ver Pro­gramm­pla­ner, Ger­not Woj­na­ro­wicz, stellt Dir ein maß­ge­schnei­der­tes Opern­gala-Pro­gramm zusam­men. Du wirst durch den Abend füh­ren, in einer Mischung aus Con­fe­ren­cier und Requi­si­teur, aber auf keinen Fall als reiner Ansager, son­dern eher in einer thea­tra­lisch ange­leg­ten Rolle und hof­fen­tlich auch als Sänger.

Stefan Kurt: Als sin­gen­der Schau­spie­ler! Ja, mal sehen, was wir uns alles aus­den­ken wer­den. Die Sopra­nis­tin werde ich jeden­falls nicht geben, dafür kommt jemand vom Fach! Aber sin­gen möchte ich auf jeden Fall. Dass ich in meiner Karriere so viel im musi­ka­li­schen Bereich arbei­ten darf, genieße ich sehr. Ich kann mir bei­nahe nicht mehr vor­stel­len, in einem reinen Sprech­thea­ter­stück ohne Musik auf­zu­tre­ten! Am Thea­ter Basel bin ich zur Zeit in „Lady in the Dark“ besetzt, einem wun­der­ba­ren Musi­cal von Kurt Weill. In Berlin spiele ich in der Barrie-Kosky-Ins­ze­nie­rung an der Komi­schen Oper den Albin in „La Cage aux Folles“, eine wirk­lich unter die Haut gehende Rolle. Mich berührt die Musik, die ich dort singe, ganz direkt, in jedem Moment. Manch­mal weiß ich als Schau­spie­ler gar nicht, woher die unge­heu­ren Emo­tio­nen kom­men. Die Musik hat diese Kraft, sie öffnet mir unge­ahnte Räume. Für mich ist letzt­lich auch die Spra­che eine Art Musik. Sie ist Rhyth­mus, Tanz. Je älter ich werde, desto mehr habe ich Freude an die­sem spe­ziel­len Aspekt: Spra­che und Worte zu gestal­ten wie Musik, mit Spra­che zu spie­len.

Simon Gaudenz: Ich brau­che die Spra­che zur Ins­pi­ra­tion. Ich kann zwar als Diri­gent viel zei­gen, aber letzt­lich ist für mich das Wort ent­schei­dend, um an den Inhalt der Werke zu gelan­gen. Ich bin nie­mand, der die Musik ein­fach spielt, im bedeu­tungs­freien Raum. Mir ist sehr wich­tig, dass die Musi­ker Bil­der erzeu­gen kön­nen. Daher versu­che ich in den Orches­ter­pro­ben, Klang­far­ben und musi­ka­li­sche Vor­gänge so zu beschrei­ben, dass die Musiker klare und ins­pi­rie­ren­de Bil­der zur Ver­fü­gung haben. In der Musik schlüp­fen wir im Grunde stän­dig in andere Spra­chen. Ob rus­si­sche, fran­zö­si­sche, eng­li­sche, deut­sche Musik: – für jede müssen wir den rich­ti­gen Ton­fall fin­den. Daher finde ich bei­spiels­wei­se an der fran­zö­si­schen Poe­sie so span­nend und schön, dass nicht der Inhalt immer das wich­tig­ste ist, son­dern die Farbe, mit der man ihn arti­ku­liert. Ein bei­nahe plat­tes Bei­spiel ist der Titel von Debus­sys „Pre­lude a l’apres-midi d’un faune“. Das ist ja für einen Nicht-Fran­zo­sen unglaub­lich sper­rig, und man könnte das auch viel ein­fa­cher aus­drü­cken. Aber die Worte spie­geln die Lust daran, wie man mit dem Rhyth­mus und den Farben der Spra­che etwas ganz Beson­de­res aus­drü­cken kann.


WortSpiel: Schweizerdeutsch

Simon Gaudenz: Ich freue mich auf jeden Fall sehr darauf, ein gan­zes Jahr mit einem Schwei­zer zu ver­brin­gen. Nun kann ich vor und nach Pro­ben und Kon­zer­ten auch mal Schwei­zer­deutsch spre­chen. Wobei Vie­len sicher gar nicht klar ist, dass Du ein Schwei­zer bist.

Stefan Kurt: Ich habe ja auch wirk­lich lange in Deutsch­land gelebt. Es sind jetzt 35 Jahre, inso­fern ist Deutsch­land zu einer zwei­ten Hei­mat für mich gewor­den.

Simon Gaudenz: Denkst Du auf Schwei­zer­deutsch oder längst auf Deutsch?

Stefan Kurt: Das ist gemischt. Es hängt stark davon ab, was ich mit der Spra­che machen möchte. Auf Deutsch kann ich schnel­ler den­ken, kann kla­rer und präzi­ser sein, kann intel­lek­tuel­le Dinge bes­ser for­mu­lie­ren. Die Mund­art ist sehr far­big, sehr blu­mig. Damit kann ich nicht so gut phi­lo­so­phie­ren. Wenn ich jeman­dem schnell etwas erklä­ren muss, wech­sele ich immer auf Deutsch. Im Bern­deut­schen, mei­nem Hei­mat­dia­lekt, gibt es zum Bei­spiel kein Wort für „Ich liebe dich“. Der Ber­ner würde als das höchste der Gefühle sagen: „I ha di gärn“. Aber er wurde nie sagen, „i liebe di“ – Das gibt es im Bern­deut­schen ein­fach nicht, es klänge höchst merk­wür­dig.

Simon Gaudenz: Es kommt auch hier wie­der eher auf den Ton­fall an, wie man jeman­den anspricht, um ihm zu bewei­sen, dass man ihn liebt. Direkt kann man es tat­säch­lich nicht sagen. Auf Schwei­zer­deutsch gibt es viele deut­sche Worte nicht. Meine beiden Töch­ter wach­sen in Mün­chen auf. Zuhause reden wir aber Schwei­zer­deutsch. Nun kommt es vor, dass sie hoch­deut­sche Worte ein­fach direkt ins Schwei­zer­deutsch über­tra­gen. Ich ver­stehe natür­lich, was sie mei­nen. Aber ich muss immer lachen, weil man es auf Schwei­zer­deutsch nie­mals so sagen würde.

»Auf Deutsch kann ich schneller denken, kann klarer und präziser sein, kann intellektuelle Dinge besser formulieren.«

STEFAN KURT


WortSpiel: Stille

Simon Gaudenz: Ich mag Sprache sehr, die an der Schwelle zur Stille ist. Letzte Worte, oder einzelne Worte. Oder Worte, die im Schau­spiel in eine Stille hinein gespro­chen wer­den. Wenn mit Stille künst­le­risch umge­gan­gen wird, bin ich oft sehr ergrif­fen und berührt.

Stefan Kurt: Stille ist tat­säch­lich ein tol­les Sujet. Das inte­res­siert mich auch und hat mich schon immer bewegt. Darü­ber könn­ten wir stun­den­lang phi­lo­so­phie­ren. Stille gibt es ja gar nicht an sich. Sie ist immer ein­ge­rahmt zwischen zwei Ereig­nis­sen. Das ist höchst thea­tra­lisch!

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