Gerade erst zurück von einer Tournee durch China, widmen wir uns der Verschmelzung der europäischen Musikkultur mit jener des Landes der Morgenröte. Im Zentrum steht die Sheng – ein Jahrtausende altes Instrument der traditionellen chinesischen Musik. Wie die hierzulande populäre Mundharmonika ist die Sheng eine Mundorgel. Sie besteht heute aus zumeist 37 Pfeifen. Diese befinden sich in einer runden Windkammer, in die zur Tonerzeugung über ein Mundstück geblasen wird. Die Beschaffenheit des Instrumentes erfordert vom Spieler ein enormes Luftvolumen. Mit Wu Wei haben wir DEN Sheng-Virtuosen schlechthin zu Gast in Jena.
Es ist ein feinsinniges Programm, das Simon Gaudenz für diesen Konzertabend zusammengestellt hat – umrahmt vom fernen Klängen des Kammerchores der Jenaer Philharmonie, dem Madrigalkreis.
Das Programm im Detail:
Morten Lauridsen:
Dirait-on für Chor und Klavier aus Les Chansons des Roses
Claude Debussy:
Clair de lune (orch. Caplet)
Enjott Schneider:
Yin & Yang für Sheng und Orchester
Robert Schumann:
An die Sterne Nr. 1 aus Vier doppelchörige Gesänge op. 141
Robert Schumann:
Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61
Wu Wei, Sheng
Jenaer Madrigalkreis
Berit Walther, Einstudierung
Jenaer Philharmonie
Simon Gaudenz, Leitung
Morten Lauridsen ließ sich, nachdem er als Feuerwehrmann arbeitete, zum Komponisten ausbilden. 2007 wurde er im Weißen Haus mit der „National Medal of Arts“ geehrt, der höchsten Auszeichnung, die einem Künstler von der amerikanischen Regierung verliehen wird. Aus Rilkes französischsprachigem Zyklus „Les roses“ vertonte er die Gedichte, die ihn nach seinen eigenen Worten besonders bezauberten, weil sie „voll von einem großartigen Lyrismus“ sind, „kunstvoll geformt und elegant in ihren Bildern.“
Claude Debussy und Paul Verlaine sind in ihrem Ideal der „poésie musique“ Brüder im Geiste. Debussy vertonte nicht allein mehrere Gedichte aus Verlaines Gedichtzyklus „Fêtes galantes“, sondern komponierte 1890 ein „Lied ohne Worte“ auf eine Gedichtzeile „Clair de lune“. Das allseits bekannte Klavierstück erklingt heute Abend in André Caplets Orchesterbearbeitung.
Schon 2017 begeisterte Wu Wei, Chinas bedeutendster Virtuose auf der traditionellen chinesischen Mundorgel das Publikum in Jena. Er spielte den Solopart in Enjott Schneiders „Changes” für Sheng und Orchester. Als ihm 2004 vom MDR der „Global Ruth“ verliehen wurde, um seine herausragenden Leistungen im Weltmusik-Genre zu würdigen, hieß es dazu: „Seine Virtuosität auf der Sheng ist atemberaubend; seine Neugier auf musikalisches Neuland ist unendlich; sein gemeinsames Arbeiten mit Musikern der unterschiedlichsten Stile und Richtungen grenzenlos; seine kompositorischen Fähigkeiten verblüffend; seine Bühnenpräsenz fesselnd.“ Dieses Mal spielt er den Solopart von Schneiders „Yin & Yang“ für Sheng und Orchester.
Schumann ist bekannt vor allem als Komponist von Liedern, Klavier- und Orchestermusik. Seine Chormusik ist leider nur Sache von Spezialisten. Dabei schrieb er fast sein Leben lang für Chöre. Den Höhepunkt seines Chorschaffens stellen seine vier doppelchörigen Gesänge op. 141 dar.
Nach der Pause erklingt mit Schumanns zweiter Symphonie das einzige Repertoirestück des Abends. Der nicht unbedingt vor Selbstbewusstsein strotzende Komponist war mit ihr offenbar sehr zufrieden. Auf die Frage seines Kollegen Johannes Verhulst, ob ihm das Werk gelungen wäre, antwortete ihm Schumann: „Ja – ich denke, so ‘ne echte Jupiter.“
Sebastian Urmoneit
Das Konzert wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.