Freitagskonzert № 2
Begeisterndes Debüt des ARTIST IN RESIDENCE Benjamin Appl
Johann Christian Bachs Musik klang frisch und lebendig
Am vergangenen Freitag musizierte das Jenaer Philharmonische Orchester unter der Stabführung des international renommierten Dirigenten Reinhard Goebel, der seit Jahrzehnten als Spezialist für das Repertoire des 17. und 18. Jahrhunderts sowie als Vermittler der historischen Aufführungspraxis an moderne Sinfonieorchester gilt. Unter seiner Leitung klangen Ouvertüre und Suite zur lyrischen Tragödie „Amadis auf Gaul“ von Johann Christian Bach, dem „Londoner Bach“, frisch, spritzig und natürlich. Es spricht sehr für das Orchester der Jenaer Philharmonie, dass es auch nach den Prinzipien der „historischen Aufführungspraxis“ stilgerecht musizieren kann. Gerade in diesen Monaten stellt das Orchester unter Beweis, dass es von „Alter Musik“ bis zu modernster Gegenwartsmusik allen stilistischen Anforderungen gerecht werden kann. So, wie das Jenaer Philharmonische Orchester die Musik von Johann Christian Bach unter Reinhard Goebel musizierte, wie es die Frische der Musik, ihren Farbenreichtum und den tänzerischen Charakter zu musikalischem Ausdruck verhalf, konnten sich die Besucherinnen und Besucher im Jenaer Volkshaus gut vorstellen, warum Mozart gerade den „Londoner Bach“ so geschätzt hat. Die Musik von Johann Christian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart bildete den orchestralen Rahmen für die Auftritte von Benjamin Appl, dem ARTIST IN RESIDENCE der Jenaer Philharmonie in der diesjährigen Spielzeit.
ARTIST IN RESIDENCE Benjamin Appl begeisterte mit der Kantate „Pygmalion“ des Bach-Sohnes Johann Christoph Friedrich und der Welturaufführung von Cimarosas „Kapellmeister“ in der auf Deutsch gesungenen Genfer Fassung
Benjamin Appl ist für das Jenaer Publikum kein Unbekannter. Er war im Jenaer Volkshaus bereits mit Liedern von Franz Schubert in der Fassung für Bariton und Orchester zu Gast. Wer seine Bach-Einspielungen mit dem Concerto Köln und seine „Kantaten der Bach-Familie“ mit den Berliner Barock-Solisten unter Reinhard Goebel kennt, wusste, dass Außergewöhnliches zu erwarten war.
Mit schlank geführtem Bariton sang Benjamin Appl stilsicher und ausdrucksstark die Kantate „Pygmalion“ von Johann Christoph Friedrich Bach, dem „Bückeburger Bach“. Es war eine Freude zu erleben, wie er, die Streicher der Jenaer Philharmonie und Carlos Goikoetxea Cancho (Cembalo) unter Reinhard Goebel diese selten zu hörende Kantate mit Leben erfüllten. Allein durch seine makellose, nuancierte Stimmführung, durch Mimik und Gestik gelang es Benjamin Appl, die Sehnsucht des Bildhauers Pygmalion nach der von ihm geschaffenen Statue zum Ausdruck zu bringen. Pygmalion möchte sie lebendig vor sich sehen und von ihr geliebt werden. Ob das gelingt oder Imagination bleibt, wird in feiner Schwebe belassen. So wie Pygmalion die Statue durch die Kraft der Liebe lebendig machen möchte, so ließen Benjamin Appl, das Jenaer Streichorchester samt Cembalist unter Reinhard Goebel Johann Christoph Friedrich Bachs vergessene Kantate wieder lebendig werden. Die Musik dankte es ihnen. Und das Jenaer Publikum erst recht. Vom „empfindsamen Stil“ wechselten Solist, Orchester und Dirigent zu Domenico Cimarosas heiterem Intermezzo „Il maestro di cappella“. Sie legten die authentisch orchestrierte Genfer Fassung aus dem Jahr 1815 zugrunde. Für die Jenaer Aufführung hatten Reinhard Goebel und Benjamin Appl eine deutsche Übersetzung angefertigt, die dieser mit musikalischem Humor und komödiantischem Esprit zu Gehör brachte. Wie er den „Kapellmeister alter Schule“ verkörperte, der Flöten, Oboen, Hörner und Streicher schließlich zu einem „gelingenden“ Ensemblespiel inspiriert, das war „giocoso“ (heiter) im besten Sinne. Seine geschmackvolle Aufführung der Genfer Fassung in deutscher Sprache kann als „Welturaufführung“ gelten. Das Jenaer Publikum dankte mit lang anhaltendem herzlichem Beifall seinem ARTIST IN RESIDENCE und darf schon jetzt auf das Silvester- und Neujahrskonzert gespannt sein.
Ein Mozart-Klang voller Lebendigkeit und Schönheit
Zum Abschluss des Konzerts spielte das Orchester unter Reinhard Goebel Mozarts „Prager Sinfonie“. Gewiss, manches klang sehr ungewohnt. Andere Lesarten und Spielweisen sind möglich und vorstellbar. Die Interpretation von Mozarts 1786 komponierter Sinfonie, zwischen „Figaro“ und „Don Giovanni“ entstanden, trug ganz die Handschrift des Dirigenten: energiegeladen im Kopfsatz, elegisch und rhythmisch prägnant im Andante und voller Rasanz im Finalsatz. Unter seiner Leitung fand das Jenaer Philharmonische Orchester zu einem von der historischen Aufführungspraxis inspirierten Mozart-Klang voller Lebendigkeit und Schönheit!
Dr. Dietmar Ebert