Saisoneröffnungskonzert am 09.09.2023
Drei »Verwandlungskünstler« und die Jenaer Philharmonie im Eröffnungskonzert
Als Simon Gaudenz, der neue ARTIST IN RESIDENCE der Jenaer Philharmonie, Stefan Kurt, und der Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche das Podium betraten, erwartete das Publikum eine traditionelle Begrüßung. Erst als Stefan Kurt, ein „großer Verwandlungskünstler“, das Publikum als Oberbürgermeister der Stadt Jena begrüßte, Thomas Nitzsche sich als Dirigent vorstellte und Simon Gaudenz im schönsten Schwitzerdütsch die Gäste als neuer ARTIST IN RESIDENCE willkommen hieß, ahnte man, dass wohl der fröhlich-freche Kobold „Puck“ aus dem „Sommernachtstraum“ seine Hände im Spiel hatte. Das könnte sein, denn als erstes Stück erklang die Ouvertüre zu Giuseppe Verdis „La forza del destino“ („Die Macht des Schicksals“), vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen. Saal und Rang waren gut gefüllt, treue Abonnenten, Musikfreunde und Neugierige aller Altersgruppen waren gekommen, um den Klängen des bestens disponierten Philharmonischen Orchesters zu lauschen und einen Vorgeschmack auf die neue Saison zu bekommen.
Zwischen den populären Musikstücken von Antonin Dvořák, Leó Weiner, Ludwig van Beethoven, Dmitri Schostakowitsch, Paul Hindemith und Edvard Grieg verwiesen Thomas Nitzsche, Stefan Kurt und Simon Gaudenz auf wichtige Konzerte in der beginnenden Spielzeit. Zwischendurch war Puck abermals aktiv, zog die Fäden, und die drei Herren tauschten per „Schnick-Schnack-Schnuck“ ihre Rollen. Nun war wieder jeder er selbst, wenn man das so sagen darf. Stefan Kurt rezitierte großartig aus Goethes „Egmont“. Die gesamte Musik zu Goethes Trauerspiel erklingt zusammen mit der 1. Sinfonie Ludwig van Beethovens am Donnerstag, den 22.02.2024.
Der Gänsehautmoment des Nachmittags war für mich, als Stefan Kurt ein Bekenntnis von Daniil Charms zur künstlerischen Freiheit und zur absurden Literatur vortrug. Daniil Charms, 1905 in St. Petersburg geboren, war einer der interessantesten, kompromisslosesten und wohl auch besten Dichter in der jungen Sowjetunion. Charms leistete Bedeutendes in allen literarischen Gattungen. Er ist am 2. Februar 1942 in der psychiatrischen Anstalt des Leningrader Kresty-Gefängnisses verhungert. Erst in Zeiten von Glasnost und Perestroika wurden seine Werke wiederentdeckt und veröffentlicht. Das Lese-Konzert am Donnerstag, den 19.10.2023, in dem Texte von Daniil Charms und Musik von Dmitri Schostakowitsch, Paul Hindemith, Dmitri Kabalewski, Benjamin Britten, Igor Strawinski und Erik Satie zu hören sein werden, ist für alle Freundinnen und Freunde der Avantgarde im 20. Jahrhundert ein „Muss“. Wort und Musik werden eine Verbindung eingehen, wie sie nur selten zu erleben ist.
Noch einmal handelte Puck ganz eigenmächtig und nahm wieder eine Verwandlung vor. Simon Gaudenz erzählte, dass sich in der vergangenen Woche „Verbrecherisches“ im Volkshaus ereignet habe, und nun erklang, nein, kein Kriminaltango, sondern die Musik, die im neuen „Theresa Wolff“-Krimi des ZDF zu hören sein wird. Am Dirigentenpult stand, wie auch im Film, Stefan Kurt und beeindruckte durch eine souveräne Leistung. Doch keine Angst, die meisten Philharmonischen Konzerte wird natürlich Simon Gaudenz dirigieren. Und Kobold Puck wurde vom Elfenkönig Oberon zur Ordnung gerufen und ist in Mendelssohns „Sommernachtstraum“ zurückgekehrt.
Das Publikum und auch die Musikerinnen und Musiker der Jenaer Philharmonie hatten viel Freude und Spaß an der Musik und den Rollenspielen. Und vielleicht erwirbt ja die eine oder der andere ein Abonnement oder kommt zu einem der interessanten, vielversprechenden Konzerte. Danke für einen heiteren und entspannten Samstagnachmittag.
Dr. Dietmar Ebert