Mit Elizabeth Reiter wächst eine der großen Richard-Strauss-Interpretinnen heran

Ein faszinierendes Konzert mit selten gespielten Werken

Elizabeth Reiter, Foto: Dario Acosta
Elizabeth Reiter, Foto: Dario Acosta

Gastdirigent im fünften Donnerstagskonzert dieser Spielzeit war der in Heidelberg geborene Christoph Altstaedt, der sich in seinen Festengagements am Münchner Gärtnerplatz-Theater und der Deutschen Oper am Rhein sowie als Gastdirigent an bedeutenden Opernhäusern und bei namhaften Orchestern bereits ein breites Repertoire im Opern- und Konzertbereich erarbeiten konnte.

Auf dem Weg zu einer eigenen Klangsprache: Hans Rotts „Pastorales Vorspiel“

Zu Beginn des Konzertes spielten die Jenaer Philharmoniker unter seiner umsichtigen Stabführung Hans Rotts selten zu hörendes „Pastorales Vorspiel“. Sowohl in der Struktur, als auch in der Instrumentierung ist das Vorbild seines Lehrers Anton Bruckner noch erkennbar, und doch zeigte die Interpretation der Jenaer Instrumentalistinnen und Instrumentalisten unter dem klaren, engagierten Dirigat von Christoph Altstaedt, dass Hans Rott auch nach dem Abschluss seiner großen E-Dur-Sinfonie auf dem Weg zu einem eigenen Kompositionsstil und einer eigenen Klangsprache war. Seine im Alter von 22 Jahren einsetzenden Halluzinationen und immer wieder kehrenden Schübe von Verfolgungswahn und sein früher Tod durch Tuberkulose im Alter von 26 Jahren dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass er eines der großen musikalischen Talente Österreichs im ausgehenden 19. Jahrhundert war. Deshalb ist es ein großes Verdienst der Jenaer Philharmonie, Hans Rotts „Pastorales Vorspiel“ ins Programm genommen zu haben.

Elizabeth Reiters ausdrucksstarke, berührende Interpretation der Orchesterlieder von Joseph Marx und Erich Wolfgang Korngold

Selten sind die „Orchesterlieder für hohe Stimme“ von Joseph Marx zu hören. Joseph Marx (1882-1964) ist heute ein Vergessener. Dabei war er im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ein viel gespielter und sehr beschäftigter Komponist und Musikpädagoge. Von 1924 bis 1927 war er sogar Rektor der ersten neu gegründeten Musikhochschule in Wien. Zu seinen über 1.000 Schülern zählen namhafte Komponisten, Pianisten und Dirigenten. Von den Vertretern der Neuen Wiener Schule distanzierte er sich und nannte sich selbst einen „romantischen Realisten“. Das zeigen auch die ca. 120 Lieder, die er in den Jahren 1908 bis 1913 komponierte.

20 dieser Lieder arrangierte er für großes Orchester. Elizabeth Reiter sang mit ihrem warm timbrierten Sopran eine Auswahl dieser Lieder nach Texten von Richard Dehmel, Otto Erich Hartleben, Christian Felix Weisse, Novalis, Ludwig Jacobowsky, Thekla Lingen, Emanuel Geibel und Paul Heyse. Ihr lyrischer Sopran ist wie geschaffen für diese Lieder, und ihre intensive Gestaltung von Text und Melodie berührten das Publikum zutiefst. Das brachte sie vielleicht am Schönsten in „Marienlied“ nach einem Gedicht von Novalis und in dem ergreifenden Lied „Hat dich die Liebe berührt“ nach einem Gedicht von Paul Heyse zum Ausdruck. Im Gegensatz zu Joseph Marx instrumentierte der 19jährige Erich Wolfgang Korngold seine „Einfachen Lieder für eine Singstimme und Orchester“ zwar artifiziell und raffiniert, doch zugleich schlank und durchsichtig. So konnte sich in „Schneeglöckchen“, „Ständchen“ (Eichendorff) „Liebesbriefchen“ (Elisabeth Honold) und „Sommer“ (Siegfried Trebitsch) der Reiz und Zauber, den Elizabeth Reiters Stimme ausstrahlt, vollständig entfalten. Als Zugabe sang die am Frankfurter Opernhaus engagierte Sopranistin mit Zartheit, lyrischer Wärme und großer Innigkeit Richard Strauss‘ berühmtes Lied „Morgen“, am Flügel vorzüglich begleitet von Christoph Altstaedt. In der Art und Weise, wie Elizabeth Reiter Wort und Musik verbindet, wie sie die Lieder ausdrucksstark gestaltet, war zu hören, wie hier eine der großen Richard-Strauss-Interpretinnen der nächsten Jahre heranwächst.

Ein Blick zurück auf die „Welt von gestern“

Mit Richard Strauss' fünfteiliger „Rosenkavalier-Suite“ aus dem Jahr 1944 fand das Konzert seinen krönenden Abschluss. Mitten im zerstörten Europa wirft Richard Strauss noch einmal wehmütig einen Blick auf die „Welt von gestern“ zurück, die Hugo von Hofmannsthal und er im „Rosenkavalier“ festgehalten haben. Hofmannsthal schrieb über die Musik zum Rosenkavalier: „Die Musik ist unendlich liebevoll und verbindet alles; sie kennt nur ein Ziel: die Eintracht des Lebendigen sich ergießen zu lassen, allen Seelen zur Freude.“ Furios gestaltete das Jenaer Orchester unter Christoph Altstaedt den Auftakt, der die Oper einleitet und die Liebesnacht, des jungen Octavian mit der deutlich älteren Marschallin in Klänge bannt. Lyrischen Glanz strahlten die Anklänge an die Überreichung der „silbernen Rose“ aus. Das Terzett, in dem die Marschallin ihrer Liebe zu Octavian zugunsten der um Vieles jüngeren Sophie entsagt und das Schluss-Duett der beiden jungen Liebenden gehören zum Schönsten, was Richard Strauss komponiert hat. Wie er diese Klänge auf Orchesterstimmen übertragen hat, zeigt, wie gut der 80jährige Komponist noch immer instrumentieren konnte. Und was wäre der „Rosenkavalier“ ohne die Walzerfolge aus dem zweiten Akt? Christoph Altstaedt ließ sie rasant und fast im Stil eines derben Ländlers aufspielen.

Ein faszinierendes Konzert mit hoch begabten jungen Künstlern, die selten gespielte Werke zu Gehör brachten!

Dr. Dietmar Ebert

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