Freitagskonzert № 2 am 11.11.2022
Ein Konzert der Extraklasse mit Lilya Zilberstein im ausverkauften Volkshaus
Das Konzert, das am Freitag, den 11. November 2022, im Jenaer Volkshaus stattgefunden hat, wird aus mehreren Gründen den Besucherinnen und Besuchern im Gedächtnis bleiben, vor allem durch das virtuose, ausdrucksstarke Spiel der Weltklasse-Pianistin Lilya Zilberstein und das kongeniale Zusammenspiel mit dem Jenaer Philharmonischen Orchester unter Simon Gaudenz, durch die künstlerische Geschlossenheit des gesamten Programms und durch ein Publikum, das aus treuen Abonnenten, jungen Familien und Studierenden bestand. Sie alle füllten den Ernst-Abbe-Saal des Jenaer Volkshauses, so dass nur ganz wenige Plätze frei blieben.
Drei Sinfonische Dichtungen von Anatoli Ljadow – eine Entdeckung für alle Musikfreunde
Das Konzert begann mit Anatoli Ljadows Sinfonischer Dichtung „Baba Yaga“. Ljadow steht heute etwas zu Unrecht im Schatten der russischen Komponisten des „Mächtigen Häufleins“ und vor allem Nikolai Rimski-Korsakows. Schon nach wenigen Takten gelang es Simon Gaudenz und dem Philharmonischen Orchester einen farbenreichen spätromantischen Orchesterklang zu erzeugen, der das Publikum in die russische Märchenwelt entführte: Die Sinfonische Dichtung beginnt mit einem „Tusch“ im Fortissimo; es folgt ein Crescendo in den Violinen, das die Hexe Baba Yaga ankündigt und eine Melodie des Kontrafagotts, die den Auftritt der Hexe lautmalerisch zum Ausdruck bringt. Es war faszinierend zu erleben, wie durch die Aufwärts- und Abwärtsbewegungen der Streicher und durch stark rhythmisierte Holzbläserläufe der Flug der Baba Yaga durch die Lüfte nachvollzogen werden konnte.
War Ljadows „Baba Yaga“ schon eine Entdeckung, so gilt das noch mehr für seine Sinfonischen Dichtungen „Der verzauberte See“ und „Kikimora“ (beide aus dem Jahr 1909). Das Jenaer Philharmonische Orchester ließ unter der ebenso genauen wie subtilen Stabführung von Simon Gaudenz vor uns den nächtlichen, wie verzaubert wirkenden See erstehen, dass er fast wie ein impressionistisches Gemälde wirkte.
„Kikimora“ wirkt wie ein Gegenstück zu der ruhevoll-sanften Musik des „verzauberten Sees“. Kikimora war ursprünglich eine slawische Gottheit, die im Märchen sich in eine Art Poltergeist verwandelt hat, der Tiere quält und Menschen ärgert. Die Musikerinnen und Musiker der Jenaer Philharmonie setzten sehr genau den Gestus von Ljadows Sinfonischer Dichtung in Szene, die düstere Einleitung ebenso wie die durchs Orchester eilenden Passagen, die das nächtliche Treiben des Poltergeistes symbolisieren. Fast heiter muteten die Schlagwerkgeräusche an, mit denen das Poltern und Rasseln des hexenartigen Wesens musikalischen Ausdruck findet. Schnell verschwindet Kikimora. Davon kündet ein Staccato-Ton der Piccolo-Flöte.
Symphonisches Konzertieren mit Lilya Zilberstein – Rachmaninows 2. Klavierkonzert
Im Gegensatz zu Anatoli Ljadows sinfonischen Dichtungen, ist Sergej Rachmaninows 2. Klavierkonzert c-Moll op. 18 ein fester Bestandteil des Konzertrepertoires. Groß war die Vorfreude des Publikums, dass mit Lilya Zilberstein eine Pianistin gewonnen werden konnte, die auf den großen europäischen Podien zu Hause ist. Schon mit den ersten Akkorden zog sie das Publikum in ihren Bann. Weich und fließend setzte das Orchester unter seinem Chefdirigenten Simon Gaudenz ein, und es war eine Freude zu hören, wie Solistin und Orchester bereits beim ersten Thema des Kopfsatzes und fast noch mehr bei dem innigen zweiten Thema zu einem spannungsvollen Gesamtklang fanden, denn Rachmaninows 2. Klavierkonzert ist ein wahrhaft symphonisches Konzert. Geradezu atemberaubend spielte Lilya Zilberstein den Mittelsatz mit seinen schwierigen gegenläufigen Beschleunigungen und Verzögerungen und der kurzen brillanten Klavierkadenz. Ganz in ihrem Element waren sie und das Orchester auch im Finalsatz, in dem sich musikalischer Witz und lyrische Emphase ablösen. Der Satz endet mit einem grandiosen musikalischen Feuerwerk. Lilya Zilberstein und das Jenaer Philharmonische Orchester unter Simon Gaudenz haben mit dieser Art symphonischen Konzertierens eine Meisterleistung vollbracht, die vom Publikum mit lang anhaltendem Beifall gefeiert wurde.
Strawinskis „Feuervogel“ – ein nachhaltiges musikalisches Ereignis
Zum Schluss des Konzerts erklang Igor Strawinskis Suite Nr. 2, die er 1919 aus seinem Ballett „Der Feuervogel“ extrahiert hat. Auch „Der Feuervogel“ weist eine Verbindung zu Anatoli Ljadow auf. Ursprünglich hatte Sergei Djagilew Ljadow gebeten, den Märchenstoff zur Grundlage eines Balletts zu machen. Da dieser aber noch nicht mit der Arbeit begonnen hatte, vergab Djagilew den Auftrag an Igor Strawinski, und so entstand 1911 eine der berühmtesten Ballettmusiken des frühen 20. Jahrhunderts, die Strawinski den internationalen Durchbruch brachte. Die Suiten zu Strawinskis „Feuervogel“ sind oft in Jena erklungen. Die Aufführung am vergangenen Freitag fand ich besonders gelungen, weil sie in sich geschlossen und zugleich hoch differenziert war. Von Beginn an spürte man, wie tief Simon Gaudenz und das Jenaer Philharmonische Orchester in den Geist der Partitur eingedrungen waren. Beim Tanz des Feuervogels, beim zart-eleganten Rondo der Prinzessin, beim furiosen Höllentanz des Königs Katscheï, beim Wiegenlied und beim grandiosen Finale dominierte ein prägnantes, frisches, sehr mitreißendes Musizieren, das diese Aufführung des „Feuervogel“ zu einem nachhaltigen musikalischen Erlebnis werden ließ.
Das Publikum dankte mit einem sehr langen, nicht enden wollenden Applaus, und auch das Orchester bedankte sich mehrfach bei Simon Gaudenz. Als Zugabe erklang der Finalsatz des Concerts Românesc von György Ligeti.
Dr. Dietmar Ebert