Sarah Buechi und ihr Septett trafen im „Trafo“ auf ein Kammerensemble der Jenaer Philharmonie

Fusion musikalischer Energien

Sarah Buechi und die Jenaer Philharmonie, Foto: Tina Peißker
Sarah Buechi und die Jenaer Philharmonie, Foto: Tina Peißker

Ein ganz besonderes musikalisches Zusammentreffen ereignete sich am Montag, den 5. November, im Jenaer „Trafo“. Während der 25. Thüringer Jazzmeile fand zum ersten Mal ein Konzert statt, das Thomas Eckardt gemeinsam mit dem Chefdirigenten der Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz, konzipiert hatte. Der Konzertort hätte nicht glücklicher gewählt werden können: der „Trafo“. Der „Trafo“ ist ein Industriedenkmal. Hier befand sich jahrelang in der Nähe des „Nollendorfer Hofes“ eine Trafo-Station mit Schaltraum. Vieles erinnert in diesen Räumlichkeiten an die große Zeit der Industriearchitektur, viele von Stefan Carl und seinen Mitstreitern liebevoll gepflegte Details erinnern noch an die frühere Nutzung, z.B. Schilder, wie: „Achtung! Hochspannung! Lebensgefahr.“ Heute ist der „Trafo“ eine Art Kulturzentrum, das für Jazzkonzerte, Performances und Ausstellungen genutzt wird. Ein Raum mit einem einzigartigen Ambiente, der von den Instrumentalistinnen und Instrumentalisten der Jenaer Philharmonie zum ersten Mal genutzt wurde. Hochspannung durchströmt den Raum noch immer. Lebensgefahr existiert allerdings nicht mehr!

In diesem Raum trafen Sarah Buechi und ihr großartiges Septett auf ein Kammerensemble der Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz. Den ersten Teil des Abends bestritten die Sängerin und Komponistin Sarah Buechi gemeinsam mit Stefan Aeby (Piano), André Pousaz (Bass), Lionel Friedli (Schlagwerk), Estelle Beiner (Violine), Isabelle Gottraux (Viola) und Sara Oswald (Cello). Der Abend begann mit einem wunderschönen Schweizer Lied an den „schönsten Abendstern“. Diesem Auftakt folgten vier sehr dichte, sinnliche und doch sehr durchdachte musikalische Poeme der neuen CD „Contradiction of Happiness“. „Contradiction of Happiness“ meint den inneren Widerspruch, der jedem Glücksverlangen eigen ist. In einem Chanson von Friedrich Holländer hieß es einst: „Wenn ich mir 'was wünschen dürfte, möchte‘ ich etwas glücklich sein, […] denn, wenn ich gar zu glücklich wäre, hätt‘ ich Sehnsucht nach der Traurigkeit.“ Ganz in diesem Sinne durchströmt die Lieder von Sarah Buechi eine bitter-süße vokale und instrumentale Grundstimmung. „Wheel of Temptation“, „After we’ve kissed“, „The Word“, „Here and now“ und erst recht ihr berührender Song „Snow Trail“ ergreifen die Zuhörer durch eine seltene Mischung von literarischer und musikalischer Poesie. In allen ihren Kompositionen beeindruckte Sarah Buechi als wandlungsfähige Vokalistin. Der Sound ihrer Songs gewinnt seine Einzigartigkeit durch das intensive Spiel der Streicher. Sie weben einen feinen Klangteppich, in den sich durch Soli an Piano und Schlagwerk seltene Klangspuren ziehen.

Im zweiten Teil des Abends erklangen unter der Leitung von Simon Gaudenz Stücke, die Sarah Buechi eigens für das Konzert in Jena komponiert hatte. In ihren Kompositionen „Collage“, „Precious Stone“, „Hungry Crocodils“ und „Nobody knows“ verschmolzen die Solo-Stimme von Sarah Buechi, die Instrumentalstimmen ihres Septetts und die der Jenaer Philharmonie auf einzigartige Weise. Es entstanden völlig neue, sehr farbenreiche Klänge. So konnten die Besucher im „Trafo“ erleben, wie musikalische Energien fusionierten, und ein sehr beweglicher, dynamischer Klang den Raum erfüllte, ihn zum Atmen und zum Leben brachte. Das war kein „Crossover“, sondern zwei bis dahin getrennt existierende Musikstile, verschmolzen zu etwas Neuem, zu Klangflächen, wie sie bisher nicht zu hören waren. Das funktionierte wohl deshalb so gut, weil die Jenaer Philharmoniker in einer kleinen, sehr beweglichen Kammerformation aufspielten. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Trennung in „Ernste Musik“ und „Unterhaltungsmusik“ nichts als eine fatale Konstruktion ist, so lässt sich über den Abend im „Trafo“ sagen: Es gibt nur gute und schlechte Musik. Was im „Trafo“ zu hören war, das war gute Musik, die es durch ihre Energie und Kraft vermochte, Grenzen aufzubrechen und zu überwinden. Zum Abschluss des Abends erklang wieder ein Schweizer Volkslied: „Stets in Trauer muss ich leben.“ So wurde vom Beginn mit dem „schönsten Abendstern“ und dem zum Schluss zu hörenden Volkslied ein weiter Bogen gespannt.

Das Publikum feierte begeistert Sarah Buechi, Simon Gaudenz, das Schweizer Septett und die Jenaer Philharmoniker. Das Experiment verlangt nach einer Wiederholung!

Dr. Dietmar Ebert

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