Chorsinfonisches Konzert am 20.11.2022
Philharmonischer Chor zurück im Musikleben der Stadt
Am Sonntag, dem 20. November, fand endlich wieder ein Chorsinfonisches Konzert im Jenaer Volkshaus statt. Die Aufführung des Requiems für Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor, Orchester und Orgel op. 9 passte so recht zur Stimmung des Toten- oder Ewigkeitssonntags.
Einstimmung mit Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr. 1 BWV 1066
Zuvor erklang allerdings Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr. 1 in C-Dur in der Besetzung für 2 Oboen, Fagott, 2 Violinen, Viola und Basso continuo. Rosa Donata Milton leitete das kleine Orchester vom 1. Pult aus und ließ die hohen Streicher im Stehen musizieren. So entstand ein sehr schlanker, transparenter Orchesterklang. In der Ouvertüre entspannte sich zwischen Violinen und Holzbläsern ein reizvolles Wechselspiel, in denen die Bläser für einen Kontrapunkt zu den Violinen sorgten oder diese reizvoll umspielten. Die folgenden Sätze Courante, die erste und zweite Gavotte, die Forlane, das erste und zweite Menuett, die erste und zweite Bourée und der abschließende Passepied sind Tanzformen, die Johann Sebastian Bach aufgenommen hat. Rosa Donata Milton und ihr kleines Orchester spielten sie mit rhythmischer Prägnanz und fanden zugleich zu einem weichen ausdrucksstarken Klang voller Schönheit, wie zum Beispiel beim Trio des 2. Menuetts. Philipp Spitta beschreibt ihn als „duftig süß und heimlich kosend“ – so schwebe das Menuett mit „elastischem Tritt“. Die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten überzeugten unter Rosa Donata Miltons inspirierender Leitung durch einen klaren, differenzierten und doch zugleich vollen Orchester-Klang.
Maurices Duruflés „sanftes Requiem“
Das Publikum war durch Bachs 1. Orchestersuite in C-Dur bestens eingestimmt auf Maurice Duruflés Requiem für Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor, Orchester und Orgel op. 9. Zuvor begrüßte Alexander Richter den Philharmonischen Chor Jena, der nach langer pandemiebedingter Pause nun endlich wieder ein großes chorsinfonisches Werk aufführen konnte.
Für die erkrankte Berit Walther war kurzfristig Max Rowek eingesprungen. Mögen ihm vielleicht noch ein wenig Sicherheit und Routine als Dirigent fehlen, so gelang ihm doch gemeinsam mit Ursula Thurmair (Mezzosospran), Wieland Thurmair-Lemke (Bariton), dem Philharmonischen Chor Jena, dem Orchester der Jenaer Philharmonie und Frank Bettenhausen (Orgel) eine sehr gute, vom Publikum mit herzlichem Beifall aufgenommene Aufführung von Duruflés Requiem. Duruflé hatte die Komposition 1941 begonnen. Die Uraufführung erfolgte zu Allerheiligen im Jahr 1947. Die Jenaer Philharmonie war gut beraten, die Fassung für Streichorchester, drei Trompeten, Harfe, Pauke und Orgel aus dem Jahr 1961 der Aufführung am Sonntag zugrunde zu legen, garantierte sie doch eine sehr ausgewogene Klangbalance von Chor und Orchester.
Auch in dieser Fassung stellt jedoch Duruflés Requiem hohe stilistische Anforderungen an den Chor. Anklänge an den Gregorianischen Choral meisterte der Chor ebenso sicher wie die in der Tradition Johann Sebastian Bachs stehende Doppelfuge im „Kyrie“. Im „Offertorium“, „Sanctus“, „Hosanna“ und „Benedictus“ waren Frauen- und Männerstimmen in allen Registern jeglichen Schwierigkeiten moderner Musik aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bestens gewachsen. Hier unterscheidet sich Duruflés Requiem von dem rund 60 Jahre früher entstandenen Requiem Gabriel Faurés, das oft als eine Art „Schwesterwerk“ bezeichnet wird. Sein Requiem basiere, so Duruflé, gänzlich auf den Themen der gregorianischen Totenmesse. Manchmal sei der Notentext vollständig übernommen, der Orchesterpart diene dann lediglich zu seiner Unterstützung und Kommentierung; ein anderes Mal habe er sich lediglich inspirieren lassen oder sich völlig entfernt, wie beim „Domine Jesu Christe“, beim „Sanctus“ und „Libera me.“ Im „Hosianna“ und vor allem im „Libera me“ überzeugte Wieland Thurmair-Lemke mit schlank geführtem Bariton und gestalterischem Können. Die vielleicht berührendste Stelle in Duruflés Requiem ist das innig-zarte „Pie Jesu“, das den inneren Kern der gesamten Komposition bildet. Ursula Thurmairs schöner Mezzosopran schien wie geschaffen für dieses Solo. Sie sang es liedhaft-schlicht, sehr innig und berührend. Ihre Stimme wurde von Klängen des Solo-Cellos (Henriette Lätsch) reizvoll umspielt. Duruflés Requiem endet mit einem „ätherisch anmutenden“ Satz, der „In paradisum“ überschrieben ist. Er drückt die urchristliche Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod und auf die Ewigkeit des Paradieses aus. Vielleicht ist gerade das die tröstliche lebensbejahende Botschaft dieses „sanften Requiems“.
Das Publikum dankte mit langem herzlichem Applaus den Solisten, dem Chor und dem Orchester für die Aufführung dieses selten zu hörenden Requiems und Max Rowek für sein mutiges Einspringen. Dass nun der Philharmonische Chor in solch hoher musikalischer Qualität auf die Bühne des Volkshauses zurückgekehrt ist, weckt die Vorfreude auf alle Chorkonzerte in der Adventszeit.
Dr. Dietmar Ebert