Freitagskonzert № 1

Saisoneröffnung mit Musik nach William Shakespeare

Dominique Horwitz, Jardena Flückiger, Selina Maria Batliner, GMD Simon Gaudenz, Musiker*innen der Jenaer Philharmonie, Sängerinnen der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar, Foto: Jenaer Philharmonie
Dominique Horwitz, Jardena Flückiger, Selina Maria Batliner, GMD Simon Gaudenz, Musiker*innen der Jenaer Philharmonie, Sängerinnen der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar, Foto: Jenaer Philharmonie

Ouvertüre zu Salieris „Falstaff“ – Eine gelungene Entdeckung

Mit ungewöhnlichen Kompositionen nach William Shakespeare eröffnete die Jenaer Philharmonie die neue Spielzeit. Zu Beginn erklang die Ouvertüre zu Antonio Salieris heute leider nur selten gespielter Oper „Falstaff“, die 1799 in Wien uraufgeführt wurde. Immerhin liegt sie in zwei sehr guten Einspielungen vor, einmal mit dem Budapester Salieri Chamber Orchestra unter Tamás Pál (1985) und zum anderen mit den Mailänder Madrigalisten unter Alberto Veronesi (1998). Doch noch immer hat es Salieris Musik schwer, wahrgenommen zu werden. Auch wenn die Legende, Salieri habe Mozart vergiftet, längst widerlegt ist, so haftet Salieris Musik doch der Ruf des Zweitrangigen an. Mag ihr auch der geniale Funke fehlen, sie ist gut komponiert und hörenswert. Mit der Ouvertüre zu „Falstaff“ setzte das Philharmonische Orchester unter Simon Gaudenz den ersten Glanzpunkt des Konzerts. Ein transparenter Streicherklang, kleine solistische Couplets von Flöte, Oboe, Fagott und ein strahlender Gesamtklang, dem die Blechbläser festlichen Glanz verliehen, zeigten: Das Jenaer Philharmonische Orchester ist nach der corona-bedingten Spielpause im letzten Jahr bestens disponiert.

Schostakowitschs „Hamlet“-Suite – erstklassige Aufführung eines jugendlichen Geniestreichs

Unter der mitreißenden Leitung von Simon Gaudenz wurde Dmitri Schostakowitschs „Hamlet“-Suite für das Jenenser Publikum sowohl zu einer Entdeckung, als auch zu einem besonderen musikalischen Ereignis. Der 26-jährige Komponist hatte sie für Nikolai Akimovs „Hamlet“-Inszenierung geschrieben, die 1932 am Moskauer Wachtangow-Theater herauskam. Akimov soll sehr frei mit Shakespeares Vorlage umgegangen sein, er wollte sie von bildungsbürgerlichem Ballast befreien; Hamlet war nicht der gedankenschwere Zauderer, sondern ein rüpelhafter Rebell, und Ophelia hatte ein Alkoholproblem. Passend zu dieser Inszenierung voller Tabubrüche komponierte Schostakowitsch eine Musik, in der Groteskes, Überzeichnetes und Parodistisches mit Lyrischem und Tragischem ein feines Wechselspiel bilden. Der Komponist, der kurz zuvor seine Operngroteske „Die Nase“ vollendet hatte, arbeitete mit Genre-Überzeichnungen und entwickelte in einer 13 Bilder umfassenden Schauspielmusik „orchestrale Bilder einer Inszenierung“. Später stellte er sie unter der Opus-Zahl 32a zu einer Suite zusammen. Intensive Holzbläser-Soli, ausladende oder zum Jazz tendierende Blechbläserklänge und starke Becken- und Trommelschläge kontrastierten mit zarten Streicherklängen, die ihren stärksten Ausdruck im von Marius Sima (Solovioline) vorgetragenen Wiegenlied fanden. Jedes der 13 Bilder beeindruckte durch ein präzises, intensives Zusammenspiel aller Instrumentengruppen, und Simon Gaudenz gelang es vorzüglich, das Orchester so zu leiten, dass der zwischen Groteske, Parodie und Tragik changierende musikalische Gestus hörbar wurde. Das Jenaer Publikum nahm die erstklassige Aufführung von Schostakowitschs jugendlichem Geniestreich voller Begeisterung auf.

Mendelssohns „Ein Sommernachtstraum“ in einer Fassung von Simon Gaudenz und Dominique Horwitz für Sprecher und Orchester – poetische Verschmelzung von Wort und Musik

Im zweiten Teil des Konzerts erklang Felix Mendelssohn Bartholdys Schauspielmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ in einer eigens für diesen Abend von Simon Gaudenz und Dominique Horwitz eingerichteten „Sprecherfassung“. Das ermöglichte Horwitz, sowohl als Sprecher durch die Handlung zu führen, als auch in die Rollen der Shakespeareschen Figuren zu schlüpfen. So verschmolzen Wort und Musik auf sehr poetische Weise. Zugleich gelang es, das Zauberische, Traumhafte mit dem Profanen und Derben zu verbinden. Dominique Horwitz ist ein Meister der Verwandlung und gebietet über die stimmlichen Mittel, um die Zauberwelt Titanias und Oberons, des Luftgeistes Puck und die grobe Sprache der Handwerker plastisch zu gestalten. Unter der Stabführung von Simon Gaudenz klang Mendelssohns Musik sehr leicht, federnd und transparent. Schon in der Ouvertüre entführten die Streicher das Publikum in die Welt der Elfen und Feen. Die beiden Sängerinnen Jardena Flückiger und Selina Maria Batliner trafen mit schlank geführtem Sopran genau den Mendelssohnschen Tonfall, und die acht links und rechts auf der Empore platzierten Sängerinnen des Frauenchors der Weimarer Musikhochschule (Einstudierung Jürgen Puschbeck) verliehen den Chorpassagen Klarheit und Transparenz. Das Publikum dankte mit lang anhaltendem Applaus den Solistinnen und Choristinnen, dem gesamten Orchester, Dominique Horwitz und vor allem Simon Gaudenz, der den Abend zu einem Gesamtkunstwerk gestaltete.

Dr. Dietmar Ebert

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